
Im März entscheidet der Grosse Rat des Kantons Bern, ob Unternehmen weiterhin Kirchensteuern bezahlen müssen. Im Rahmen einer Medienkonferenz haben die drei Landeskirchen kürzlich ihre Argumente aufgeführt, weshalb ihrer Meinung nach auch juristische Personen weiterhin Kirchensteuern bezahlen sollten (ref.ch hat darüber berichtet: Landeskirchen heben ihren Beitrag zur Gesellschaft hervor).
Wie der Titel des Artikels unmissverständlich klarmacht, wird wieder einmal mit dem Beitrag der Kirchen zur Gesellschaft argumentiert. Dieser ist, wenn man den anwesenden Vertretern der Landeskirchen zuhört, vielseitig. Neben den bekannten Angeboten wie Jugendtreffs und Seniorennachmittage wurden etwa Deutschkurse für Geflüchtete, die Abgabe von Lebensmitteln für Bedürftige, ein Spielbistro und die Unterstützung von diversen kulturellen Institutionen und Beratungsstellen hervorgehoben.
Würden die pro Jahr rund 40 Millionen Franken Kirchensteuern von juristischen Personen wegfallen, dann müssten viele dieser Leistungen reduziert oder gar ganz eingestellt werden. So die Argumentation.
Ich möchte hier nicht in Zweifel ziehen, dass die genannten Leistungen in bester Absicht erbracht werden und auch tatsächlich Gutes bewirken. Und zwar nicht nur nach finanziellen Kriterien, sondern vor allem auch nach menschlichen Kriterien.
Trotzdem ist die Argumentation der Landeskirchen falsch. Warum? Weil sie unbiblisch und damit unchristlich ist. Sie ignoriert den wirklichen Auftrag der Kirche. Und stellt das biblische Modell des freiwilligen Gebens auf den Kopf.
Auftrag der Kirche
Ganz am Anfang seines öffentlichen Wirkens predigt Jesus in der Synagoge von Nazareth aus dem Buch des Propheten Jesaja. Er erklärt damit eindrücklich, wozu er vom Vater zu uns in die Welt gesandt wurde.
Und es wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht; und als er das Buch aufgerollt hatte, fand er die Stelle, wo geschrieben war: »Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen; er hat mich gesandt, Gefangenen Befreiung auszurufen und Blinden, dass sie wieder sehen, Zerschlagene in Freiheit hinzusenden, auszurufen ein angenehmes Jahr des Herrn.« Und als er das Buch zugerollt hatte, gab er es dem Diener zurück und setzte sich; und aller Augen in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Er fing aber an, zu ihnen zu sagen: Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt. (Lukas 4:17-21)
Um den Text zu verstehen, müssen wir uns zunächst daran erinnern, was das Problem dieser Welt ist. Das Problem der Welt ist die tragische Weigerung des Menschen, auf Gott zu hören. Das Problem der Welt ist die Sünde und ihre Folgen. Alles, was auf der Welt falsch läuft, ist auf diese eine Sache zurückzuführen.
Und die Welt weiß, dass etwas nicht stimmt. Gier, Egoismus, Grausamkeit, Bitterkeit, Einsamkeit und Leere bleiben nicht unbemerkt. Die Welt glaubt allerdings auch, dass sie diese Probleme beheben kann. Durch bessere Bildung, fortschrittliche Politik oder gerechtere Ressourcenverteilung, was immer das genau heisst. All das steht im Einklang mit einer Weltanschauung, in welcher der Mensch grundsätzlich gut ist.
Aber wir wissen natürlich, dass das Unsinn ist. Der Mensch ist nicht grundsätzlich gut, er ist ein Sünder (Römer 3:10-12). Was der natürliche Mensch tut, ist nicht gut, sondern böse (Römer 3:13-18). Und genau deshalb werden menschliche Werke, egal ob in Bildung, Politik oder in sonst einem Bereich unseres Lebens, das Problem nicht lösen können.
Es gibt nur eine Lösung. Der Mensch muss zu Gott zurückkehren und auf ihn hören. Und genau das will der natürliche Mensch nicht. Aber nun kommt das Erstaunliche. Trotz der Dummheit und Sturheit des Menschen, der sich von Gott abwendet und mit all seiner Kraft seine Unabhängigkeit erklären möchte, geht Gott ihm nach. Er geht ihm nach, um ihn vor den schrecklichen Folgen seiner Sturheit zu retten. Das ist die Botschaft der Bibel.
Und das bringt uns zur Mission von Jesus Christus, wie er sie in seiner Predigt in Nazareth erläutert. Er präsentiert uns Metaphern für den Zustand des sündigen Menschen. Sein Auftrag ist es, den Menschen aus diesem Zustand zu erlösen.
Zunächst ist er gekommen, um “Armen gute Botschaft zu verkünden.” Die gute Botschaft ist das Evangelium (das griechische Wort εὐαγγέλιον bedeutet wörtlich gute Nachricht). Es richtet sich an die Armen. Gemeint sind nicht die materiell Armen, sondern, genau wie in der Bergpredigt, die geistlich Armen (Matthäus 5:3). Das sind Menschen, die sich ihrer Sündhaftigkeit bewusst sind und wissen, dass sie im geistlichen Sinne absolut gar nichts vorzuweisen haben, womit sie Gott gefallen könnten.
Für sie (und nur für sie), bringt Jesus die gute Nachricht, die er im folgenden mit weiteren Metaphern erklärt. Er ist zum Beispiel gekommen, um Gefangene zu befreien. Es ist nicht ohne Ironie, dass der Sünder glaubt, er sei frei. Frei, um all das zu tun, was er will. Wenn man ihm genau zuhört, dann glaubt er sogar das Recht zu haben, alles zu tun, was er will. In Wahrheit ist er aber ein Gefangener. Ein Gefangener des Teufels und der Sünde (2. Timotheus 2:26, Galater 3:22). Aber Jesus ist gekommen, um jeden aus dieser Gefangenschaft zu befreien, der an ihn glaubt.
Weiter ist Jesus gekommen, um Blinde sehend zu machen. Auch das ist eine Metapher für den Zustand des sündigen Menschen. Er ist blind. Er wandelt in geistlicher Dunkelheit (Psalm 82:5) und hat Augen, die nicht sehen (Jeremiah 5:21). Jesus aber ist gekommen, um ihn von seiner Blindheit zu erlösen.
Jesus wurde also gesandt, um den Menschen das Evangelium zu verkünden. Die gute Nachricht, dass er jeden, der an ihn glaubt, aus der Sklaverei der Sünde befreit und mit Gott versöhnt.
Und genau wie er selbst gesandt wurde, so sendet Jesus nun uns: “Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch” (Johannes 20:21). Noch ausführlicher sagt er es im berühmten Missionsbefehl:
Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern, indem ihr diese tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und sie lehrt alles zu bewahren, was ich euch geboten habe! (Matthäus 28:19-20)
Das ist der Auftrag der Kirche. Es ist ein Auftrag, den sie von niemand Geringerem als Jesus Christus selbst erhalten hat. Und es ist ein Auftrag, den nur die Kirche erfüllen kann.
“Beiträge an die Gesellschaft” in Form von Deutschkursen, Jugendtreffs oder Seniorennachmittagen sind nicht der Auftrag der Kirche.
Freiwilliges Geben
Die Bibel unterscheidet erforderliches und freiwilliges Geben. Beide Arten haben ihren Platz, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament.
Erforderliches Geben war immer als Besteuerung zu verstehen. Darunter fielen z. B. die 23% die in Israel in Form von drei Zehnten, zusätzlich zu einigen anderen Steuern, bezahlt werden mussten. Der erste Zehnte war zur Finanzierung des Lebensunterhalts der Priester und Leviten bestimmt. Der zweite Zehnte diente der Finanzierung der grossen religiösen Feste in Jerusalem. Und der dritte Zehnte (nur alle drei Jahre fällig) hielt das Wohlfahrtssystem aufrecht. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass Israel eine Theokratie, also ein Gottesstaat, war. Es gab keine Trennung von Staat und Religion.
Freiwilliges Geben war und ist etwas gänzlich anderes. Das Motiv dafür war nie das Gesetz – sondern ein dankbares und liebendes Herz. Freiwilliges Geben wurde ebenfalls bereits im Alten Testament, zusätzliche zur Besteuerung, praktiziert.
Das Muster ist also klar. Wir sollen unsere Steuern bezahlen und darüber hinaus Gott geben, was immer wir wollen.
Was aber bedeutet dies alles für unsere heutige Kirche? Im Neuen Testament sehen wir zunächst, dass Jesus seine Steuern bezahlt hat. Und zwar an den Gottesstaat Israel und wie auch an die römische Besatzungsmacht (Matthäus 17:24-27, Matthäus 22:17-21). Aber, und das ist für uns das Entscheidende: nirgendwo im Neuen Testament finden wir ein Beispiel (oder gar eine Anweisung), dass der Kirche der Zehnte (also eine Steuer) geschuldet ist. Jesus lehrt das nicht. Paulus lehrt das nicht. Er ermahnt uns lediglich, unsere dem Staat geschuldeten Steuern zu bezahlen (Römer 13:6). Auch kein anderer Apostel hat je eine “Kirchensteuer” eingeführt.
Das einzige Muster des Gebens, welches wir im Neuen Testament für die Kirche finden, ist das freiwillige Geben. Das ist auch sinnvoll, schliesslich ist die Kirche (entgegen Israel) kein Gottesstatt. Genau deswegen kennen wir auch bei uns das Prinzip der Trennung von Kirche Staat. Was allerdings nicht die Trennung von Gott und Staat bedeutet. Aber das wäre ein Thema für einen eigenen, separaten Artikel.
Zurück zum freiwilligen Geben. Dieses finden wir reichlich in der Kirche des Neuen Testaments. So reichlich, dass wir aus den Beispielen eine ganze Reihe von Prinzipien für biblisches Geben ableiten können:
Geben bedeutet, mit Gott zu investieren
Geben bedeutet, ein Opfer zu erbringen
Geben ist nicht abhängig davon, was wir haben
Wie viel wir geben, ist eine persönliche Entscheidung
Geben ist eine Reaktion auf Bedürfnisse
Geben bedeutet, Liebe zu zeigen, nicht Gesetzlichkeit
Geben soll grosszügig sein
Geben bringt Segen mit sich
Ich kann hier nicht auf alle eingehen, aber drei davon möchte ich beispielhaft erläutern.
Geben bedeutet, mit Gott zu investieren
In Lukas 6:38 lernen wir den Grundsatz, dass Geben den Charakter einer Investition hat: “Gebt, und es wird euch gegeben werden.” Was wir mit Gott investieren, wird Dividenden bringen.
Und im Matthäus-Evangelium sehen wir den Unterschied zwischen einer weltlichen Investition und einer mit Gott:
Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo die Motten und der Rost sie fressen und wo die Diebe nachgraben und stehlen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder die Motten noch der Rost sie fressen und wo die Diebe nicht nachgraben und stehlen! Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein. (Matthäus 6:19-21)
Nehmen wir an, ich habe CHF 20’000 und möchte diese investieren. Wenn ich sie weltlich investiere, z. B. in Aktien, denn werde ich mir konstant Sorgen machen. Ich werde die Wirtschaftsnachrichten lesen, die aktuellen Kurse überprüfen, und mir Gedanken über den richtigen Zeitpunkt des Verkaufs machen. Ich beginne mich mehr und mehr von der Welt vereinnahmen zu lassen, denn dort habe ich meine Investition getätigt.
Gebe ich meine CHF 20’000 stattdessen Gott, worauf wird meine Aufmerksamkeit dann gerichtet sein? Auf ihn und was er damit bewirkt! Ich werde mit ihm im Gebet darüber sprechen. Ich werde dankbar sein, wenn ich den Ertrag sehe. All dies stärkt meine Beziehung zu Gott. Das ist es, was es bedeutet, “wo euer Schatz ist, da wird euer Herz sein.”
Wie viel wir geben, ist eine persönliche Entscheidung
Die Begegnung von Jesus und Zachäus illustriert dies eindrücklich. Zachäus, der reiche Oberzöllner, war auf den Baum gestiegen, um Jesus zu sehen.
Und als Jesus an den Ort kam, blickte er auf und sah ihn und sprach zu ihm: Zachäus, steige schnell herab; denn heute muss ich in deinem Haus einkehren! Und er stieg schnell herab und nahm ihn auf mit Freuden. (Lukas 19:5-6)
Während die Heuchler Jesus verurteilten, weil er bei einem Sünder einkehren wollte, war Zachäus überglücklich. Das Ergebnis kennen wir:
Zachäus aber trat hin und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, und wenn ich jemand betrogen habe, so gebe ich es vierfältig zurück! Und Jesus sprach zu ihm: Heute ist diesem Haus Heil widerfahren, weil auch er ein Sohn Abrahams ist; denn der Sohn des Menschen ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist. (Lukas 19:8-10)
Zachäus will 50% seines Vermögens den Armen geben. Und Jesus sagt nicht: “Nein, nein, mein Freund, unser System verlangt nur 10% – behalte den Rest.” Ebenso will er diejenigen, die er einmal betrogen hat, mit dem Vierfachen entschädigen. Grossartig!
Der nun gläubige Zachäus bestimmt selbst, wie viel er wem gibt. Und warum gibt er überhaupt? Aus Dankbarkeit und aus Liebe.
Geben bringt Gottes Segen mit sich
Im Philipper-Brief, in Kapitel 4, bedankt sich Paulus bei der Gemeinde, dass sie so grosszügig für ihn gesorgt hat. Und er verspricht, dass Gott sich im Gegenzug um alle ihre Bedürfnisse kümmern wird. Alle.
Auch den Korinthern erklärt Paulus, dass ihr Geben mit Gottes Segen vergolten werden wird:
Denkt daran: Wer wenig sät, wird auch wenig ernten. Und wer reichlich sät, wird reichlich ernten. Jeder soll für sich selbst entscheiden, wie viel er geben möchte, und soll den Betrag dann ohne Bedauern und ohne Widerstreben spenden. Gott liebt den, der fröhlich gibt. Er hat die Macht, euch mit all seiner Gnade zu überschütten, damit ihr in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit alles habt, was ihr zum Leben braucht, und damit ihr sogar noch auf die verschiedenste Weise Gutes tun könnt. (2. Korinther 9:6-8)
Reichliches Geben wir mit reichlich Segen verbunden. Gott liebt den, der fröhlich gibt. Und nur wenige Verse später lesen wir, dass Gott nicht nur die Macht hat, die Korinther mit all seiner Gnade zu überschütten, sondern das auch tatsächlich tun wird:
Er wird euch in jeder Hinsicht so reich beschenken, dass ihr jederzeit großzügig und uneigennützig geben könnt. Und wenn wir dann eure Spende überbringen, werden die, die sie empfangen, Gott danken. (2. Korinther 9:11)
Kein Wunder hat Jesus gesagt, wie es in Apostelgeschichte 20:35 für uns aufgezeichnet ist, “Geben ist glückseliger als Nehmen!”
Schlussfolgerung
Die Aufgabe der Kirche ist es, das Evangelium zu predigen und damit Menschen zu retten. Sie aus der Gefangenschaft der Sünde zu befreien und aus der Dunkelheit ins Licht zu führen. Das ist mit Abstand der wichtigste “Beitrag zur Gesellschaft” den jemand leisten kann, denn er zeigt seine Wirkung nicht nur in diesem Leben, sondern darüber hinaus in der Ewigkeit. Und nur die Kirche kann diesen Beitrag leisten.
Kirchensteuern in jeder Form sind unbiblisch. Christen sind zwar dazu aufgerufen, grosszügig und freudig zu geben. Aber nie unter Zwang. Sondern immer aus Dankbarkeit und Liebe.
Eine Kirche, die auf Zwangsabgaben baut, verstösst klar gegen die Lehre der Bibel. Lässt sie diese zusätzlich vom Staat eintreiben, begibt sie sich darüber hinaus in die Abhängigkeit einer weltlichen Gewalt. Es ist kein Zufall, dass die Landeskirchen in so vielen Bereichen die Positionen der politischen Elite teilen, auch wenn diese dem Wort Gottes diametral entgegengesetzt sind.
Es wird aber noch schlimmer. Im Fall der Kirchensteuern von juristischen Personen lässt die Kirche die Zwangsabgaben auch noch bei Nichtmitgliedern eintreiben. Und wenn die Landeskirchen diese Mittel dann auch noch für Aufgaben einsetzt, die nicht ihrem biblischen Auftrag entsprechen, dann ignoriert sie direkt den Auftrag, den sie von Jesus Christus persönlich erhalten hat. Ich möchte nicht in der Haut derer stecken, die eines Tages dafür vor Gott Rechenschaft ablegen müssen.
Die Kirchensteuer, nicht nur für juristische Personen, muss weg. Je früher, desto besser. Vielleicht würde das die Landeskirchen zum Umdenken anregen. Und sie zur Bibel zurückführen.